Trendstudie: Ungleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben schädigt die Unternehmen

Nicht nur berufstätige Mütter haben oft ein Problem damit, Beruf und Karriere mit Privatleben und Familie unter einen Hut zu bekommen. Dieses im Fachjargon Work-Life Balance genannte Gleichgewicht verkommt immer mehr zu einem erdrückenden Übergewicht des Berufslebens, unter dem vor allem Hochqualifizierte und Selbst­ständige leiden. Der wachsende Fachkräftemangel verschärft den Druck noch. Die Folge: Immer häufiger leiden Unternehmen unter sinkenden Leistungen ausgerechnet ihrer Leistungsträger, die der Belastung ohne Ausgleich in einer angemessenen Freizeit kaum mehr standhalten. Ein kollektiver Burnout bahnt sich an.

Noch fehlt es den Unternehmen an angemessenen Strategien, der Entwicklung wirksam zu begegnen – bisher war die Work-Life Balance nur in ganz wenigen Unternehmen ein Thema. Oft kam der Begriff lediglich in Festreden vor. Damit ist es aber nicht mehr getan: „Um Abhilfe zu schaffen, muss der Zusammenhang von Work-Life Balance und betrieblicher Leistungspolitik thematisiert werden“, fordert ein interdisziplinäres Forschungsteam, das nun mit Hilfe einer Trendanalyse das Themenfeld sondierte.

Die Forscher wollten erkunden, wie die betrieblichen Anforderungen mit den Ressourcen und Bedürfnissen der Beschäftigten besser in Einklang gebracht werden können. Im Rahmen des Forschungsprojekts Lanceo legten die Autoren der Studie nun erste Analyseergebnisse aus einer Online-Befragung von Beschäftigten und qualitativen Experteninterviews vor.

Die Auswertungen zeigen, dass zwar viele Beschäftigte Arbeit und Privatleben als wechselseitig bereichernd erleben, aber gleichzeitig unter dem Ungleichgewicht leiden: Die Arbeit verschlingt so viel Zeit und Nerven der Beschäftigten, dass für das Leben nach der Arbeit nicht genug übrig bleibt. Abhängig ist diese Erfahrung allerdings nicht nur vom tatsächlichen Zeitaufwand, sondern vor allem von den Arbeitsbedingungen, etwa von hoher Arbeitsintensität und häufigen ungeplanten Arbeitsunterbrechungen. Eine fehlende Work-Life Balance schlägt jedoch auf die Arbeit zurück: Wer starke Konflikte zwischen Arbeit und Leben erfährt, wird auch den Erwartungen im Betrieb weniger gerecht, so die Studie.

Die Betriebe spüren das immer stärker: Bei ausgedünnten Personaldecken, fehlenden Reserven und hohem Zeitdruck sind negative Auswirkungen nicht mehr zu vermeiden. Ohne eine fundierte Kenntnis der tatsächlichen Ursachen und Auswirkungen treffen die ergriffenen Gegenmaßnahmen – z. B. Betriebskindergärten – aber nicht immer den Kern des Problems. Zudem beschränken sich viele der Maßnahmen auf die besonders schwer ersetzbaren Leistungsträger, für die am Arbeitsmarkt kein Ersatz zu finden ist.

Zu wenig – so die Forscher – werde bisher an der Seite der Leistungsanforderungen angesetzt. Besonders wenn die Leistungspolitik „maßlos“ wird, führe dies zur Überlastung, Demotivation, Fehlsteuerung und zu einer Beeinträchtigung der Balance zwischen Arbeit und Leben.

Die Studienautoren sehen zwar durchaus Anstrengungen der Betriebe, hier etwas verändern zu wollen. Das gelte vor allem im Hinblick auf leistungsorientierte Bezahlung. Aber der Zusammenhang zwischen Leistungspolitik und Work-Life Balance werde noch nicht systematisch thematisiert und konkret gestaltet, kritisieren die Forscher. Deshalb wolle man sich im Rahmen des Forschungsprojekts Lanceo auch in Zukunft diesem Thema widmen. (ISF München / ml)