Genderpolitik 2: Mehr Hausarbeit und weniger Karriere für Frauen

Zu keinem widersprüchlichen, aber doch andersgearteten Fazit über die besondere Situation weiblicher Führungskräfte als die Darmstädter Studie (siehe letzte Meldung) kommt eine aktuelle Studie der Forschungsdirektorin Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Ihre Studie stellt fest, dass Frauen in Führungspositionen deutlich mehr Hausarbeit leisten, seltener verheiratet sind, weniger Kinder haben und weniger Karriere machen als ihre männlichen Kollegen in deutschen Führungsetagen.

Die Ursache für alle diese Abweichungen sieht Elke Holst in erster Linie in der zeitlichen Belastung der Frauen: „Die in Führungspositionen üblichen langen Wochenarbeitszeiten lassen sich mit Haushalt und Kindererziehung kaum in Einklang bringen.“ Ihre Kritik: „Zwar sind Frauen heute qualifiziert wie nie, doch ihre Chancen sind schlechter. Sie treten auf der Stelle.“

Die Verantwortung für Haus- und Familienarbeit werde traditionell noch immer den Frauen zugewiesen. Das wirke sich auch auf die Rollen der Managerinnen aus. Während Männer in Führungspositionen nach Studien des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zuhause nur 18 % der Familienarbeit übernehmen, erledigen weibliche Führungskräfte rund 58 % der häuslichen Aufgaben. Damit falle die private Arbeitsteilung der Frauen in Führungspositionen zwar bereits wesentlich gleichberechtigter aus als bei ihren männlichen Kollegen. Der Großteil der Hausarbeit werde jedoch weiterhin von den Frauen erbracht.

Analysen des SOEP am DIW zeigen, dass Frauen in Führungspositionen im Jahr 2009 im Schnitt 46 Wochenstunden arbeiten, ihre männlichen Kollegen hingegen 48 Wochenstunden. Die Arbeitszeit wird von beiden Geschlechtern als zu lang empfunden. Die gewünschte Wochenarbeitszeit lag bei 2009 bei weiblichen Führungskräften rund neun Stunden unter der tatsächlichen, bei männlichen rund sieben Stunden.

Die SOEP-Daten zeigen auch, dass wesentlich weniger weibliche Führungskräfte verheiratet sind als ihre männlichen Kollegen. Im Jahr 2009 waren rund 55 % der weiblichen Führungskräfte ledig, aber nur 38 % der männlichen. Das sollte allerdings zu keinen voreiligen Schlüssen über die Ursache verleiten, denn 2009 lebten mit 28 % doppelt so viele Frauen in Führungspositionen unverheiratet in einer Lebensgemeinschaft zusammen wie Männer in Führungspositionen. Die Zahl der Single-Frauen in den Führungsetagen hat sich damit angeglichen: 2009 waren 16 % der weiblichen und 17 % der männlichen Führungskräfte alleinlebend. Die geringere Zahl an Ehen dürfte also eher mit der Emanzipation von klassischen Vorstellungen einer Lebensgemeinschaft zusammenhängen als mit Zeitproblemen.

Deutliche Unterschiede zeigten sich bei der Anzahl der Kinder: Im Jahr 2009 hatten nur 28 % der weiblichen Führungskräfte Kinder, aber 38 % der männlichen. Während die Männer im Schnitt zwei Kinder hatten, war es bei den Frauen meist nur ein Kind. Mütter von Kleinkindern unter drei Jahren waren in deutschen Führungsetagen fast gar nicht zu finden, während 29 % der männlichen Führungskräfte Kinder dieser Altersgruppe hatten.

Auch hierbei sind wohl eher unideologische Faktoren ausschlaggebend. So fällt es einem Paar natürlich leichter Kinder zu bekommen, wenn derjenige, der die Kinder physisch zur Welt bringt, in keiner Führungsrolle steht. Wer in einer Beziehung die Kinder zur Welt bringt, steht aber aus biologischen Gründen nicht zur Disposition.

Anders sieht es bei der Frage der generellen Quotenverteilung aus. So sind nach wie vor Frauen dem DIW-Führungskräftemonitor zufolge in deutschen Chefetagen wesentlich seltener vertreten als Männer. Besonders in Top-Positionen sind sie deutlich unterrepräsentiert. Wichtiger Bestandteil der „gläsernen Decke“, an die Frauen im Laufe ihrer Karriere stoßen, sind nach Meinung der DIW-Expertin Holst die immer noch vorherrschenden Vorstellungen traditioneller Geschlechterrollen. Sie mahnt deshalb: „Damit die vielen gut ausgebildeten jungen Frauen tatsächlich verstärkt zum Zuge kommen, sind nachhaltige Umstrukturierungen des beruflichen und gesellschaftlichen Alltags notwendig.“

(DIW / ml)

Kommentar

Wir haben bewusst heute am Internationalen Frauentag die beiden Studien zur Rolle und Situation von Managerinnen unmittelbar hintereinander platziert, weil sie – nur scheinbar widersprüchlich – zeigen, wie unterschiedlich auch harte Fakten gesehen werden können.

Und die Gegenüberstellung wirft grundsätzliche Fragen auf: Was ist wichtiger? Die subjektive Zufriedenheit oder die objektive Lage? Ist das eine lediglich eine Selbsttäuschung und das andere die Wahrheit? Oder besitzt die eine Gruppe einfach eine andere Werteskala als die andere? Und welche Werteskala ist näher am wirklichen Leben dran? Oder härter ausgedrückt: Sind die mit Kindern zufriedenen Frauen dumm und rückständig? Oder die Karrieristinnen mit Feministinnenpower verbiesterte weibliche Neidhammel?

Sie sehen, liebe Leser, wer das Leben als Kampfarena sieht – eine in Führungskreisen leider häufig geäußerte Meinung – kann sich mit der gleichen Faktenlage problemlos in eine am Ende selbstzerstörerische Geschlechterschlacht hineinsteigern. Für alle Beteiligten wäre es allerdings besser, sich mit viel gutem Willen endlich einer ernsthaften und konstruktiven Geschlechterkooperation zu verschreiben, von der am Ende alle profitieren würden, denn so, wie nicht alle Frauen mit Kindern glücklich werden, träumen nicht alle Männer vom Kampf in den Chefetagen. Im Gegenteil: Jeder Mensch trägt ein ganz eigenes Ideal vom Leben im Kopf. Wer glaubt, sein Ideal anderen aufdrücken zu müssen, diskreditiert sich am Ende selbst für eine wahrhaft fortschrittliche Gesellschaft, egal aus welchem Graben im Geschlechterkampf er feuern mag.

Soll heißen: Statt mit Vorschriften, Zwangsquoten und Vorurteilen Mitmenschen des jeweils anderen Geschlechts von der ehemals erzwungenen Ungleichheit in die nun opportune erzwungene Gleichheit pressen und zwangsbeglücken zu wollen, wäre genau umgekehrt eine liberaler werdende Haltung angesagt.

Allerdings: Funktionieren kann das nur, wenn beide (!) Geschlechter endlich aufhören, die Führungsrolle spielen zu wollen. Aber das ist – gerade von der Gattung Führungskraft – vielleicht zu viel verlangt. Was meinen Sie?

(ml)