Unternehmenskredite: Keine Klemme in Sicht, aber Banken werden kritischer

Auch wenn es keine flächendeckende Kreditklemme gibt, fällt es vielen Unternehmen derzeit schwer, die nötigen Mittel für ihre Inves­titionen und die Auftragsfinanzierung zum Mitschwimmen im kraft­vol­len Aufschwung einzusammeln, denn die Banken sind dabei, die Anforderungen an die Kreditvergabe weiter zu erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Wer finanziert den Aufschwung? der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Da die Studie nun schon zum zweiten Mal erscheint, lässt sich durch einen Ver­gleich mit den Antworten aus dem Vorjahr erkennen, dass sich die Situation deutlich entspannt hat. Für die Studie wurden im August dieses Jahres 570 Unternehmen und 120 Banken in Deutschland befragt.

Zwar sind die Unternehmen immer noch relativ besorgt – rund ein Drittel von ihnen rechnet mit einer Kreditklemme in irgendeiner Form. Für die Banken indessen ist das Thema weitgehend vom Tisch – nicht einmal jedes sechste Institut (15 %) sieht noch eine Kreditklemme am Horizont. Im September 2009 hielten immerhin doppelt so viele Banken eine Kreditklemme für wahrscheinlich.

Zum Zeitpunkt der Umfrage hatte die Kapazitätsauslastung der Unternehmen allerdings das Niveau der Zeit vor der Krise noch nicht wieder erreicht. Damit bestand nur wenig Anlass zu Investitionen, wie die verhaltene Investitionsneigung der Befragten belegt: 34 % der Unternehmen wollen ihre Investitionsausgaben in den kommenden 12 Monaten erhöhen, 4 % wollen stark erhöhen. Dem stehen 6 % der Unternehmen gegenüber, die die Investitionen zurückfahren wollen. Die Mehrheit der Unternehmen will die Investitionsausgaben auf dem aktuellen – relativ niedrigen – Niveau belassen. Ebenfalls noch in Grenzen hielt sich im August der Finanzierungsbedarf der wieder anlaufenden Produktion.

Inzwischen aber berichten weite Teile der Industrie über steil steigende Auftragseingänge – die Produktion ist im Begriff zu folgen, und die Kapazitäten sind in einigen Bereichen bereits fast so hoch ausgelastet wie in guten Zeiten. Der Kreditbedarf wird also steigen. „Die Nagelprobe des Systems steht erst noch bevor“, erwartet deshalb Ana-Cristina Grohnert, Partnerin bei Ernst & Young. Sie warnt: Ob die Kreditwirtschaft den Finanzierungsbedarf des schon spürbaren Aufschwungs auf längere Sicht decken kann, müsse sich erst noch erweisen.

Immerhin: Die Banken richten sich auf eine tendenziell steigende Kreditnachfrage ein. 65 % der Institute erwarten, dass die Kreditnachfrage in den kommenden Monaten anziehen wird – nur 3 % erwarten allerdings einen starken Anstieg. Eine Steigerung der Neukreditvergabe halten dennoch nur 55 % für wahrscheinlich, 9 % erwägen immerhin eine starke Ausweitung der neuen Kredite. „Die Diskrepanz zwischen erwarteter Nachfrage und beabsichtigter Kreditvergabe hat sich zwar gegenüber dem Vorjahr verringert. Aber sie deutet an, dass die Kreditinstitute die Folgen der Krise noch nicht ganz verwunden haben und dass sie nach wie vor überaus vorsichtig sind“, diagnostiziert Expertin Grohnert.
Gründe für ihre Zurückhaltung haben beide Gruppen. Denn sowohl Banken als auch Unternehmen sehen die weitere Entwicklung unverändert skeptisch. Für die Banken kommt hinzu, dass sich ihre Grundlagen der Kreditvergabe seither nur unwesentlich verbessert haben.

Denn für die Beschaffung des Eigenkapitals vieler Banken gibt es nach den Kreditausfällen der Krise nach wie vor keine nachhaltige Lösung. Das setzt dem Kreditvolumen rein rechnerische Grenzen, erhöht aber auch die Vorsicht der Geldgeber. Zusätzlich eingeschränkt werden ihre Möglichkeiten dadurch, dass es bei der Refinanzierung, der zweiten wichtigen Basis der Kreditvergabe, als Folge der Finanzkrise ebenfalls noch keine nachhaltig positiven Aussichten gibt. So erwarten 22 % der Bankmanager eine Verschlechterung der Situation bei Kreditportfolioverkäufen, nur 19 % setzen auf eine Verbesserung.

Die Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank wird aus Sicht von 17 % der Bankmanager schwieriger, 24 % sehen eine Entspannung der Situation. Und 20 % erwarten, dass sich die Refinanzierung durch die Verbriefung von Forderungen schwieriger gestalten wird, während 28 % eine positive Entwicklung erwarten. Beim Interbankenhandel sehen 37 % der Bankmanager eine Entspannung der Lage – die Mehrheit (53 %) sieht hingegen keine Veränderung, jeder zehnte erwartet sogar eine Verschlechterung der Situation.

„Dass die Mehrheit der Banken auch allenfalls mit unveränderten Verhältnissen, teils sogar mit einer weiteren Verschlechterung bei der Refinanzierung rechnet, wirkt sich zwangsläufig auch auf die Neigung zur Kreditvergabe aus“, glaubt Grohnert. Allerdings sei die Zahl der Optimisten, die eine Verbesserung erwarten, gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. „Und in jüngster Zeit scheint auch der Interbankenhandel, traditionelles Rückgrat der Refinanzierung, vorsichtig wieder in Gang zu kommen.“

Um weitere Kreditausfälle zu vermeiden und die Risiken des Kreditgeschäfts noch besser im Griff zu behalten, wollen laut Studie noch mehr Banken als im Vorjahr die Vergabebedingungen verschärfen. Insbesondere die Anforderungen an Dokumentation und Sicherheiten sollen nach Angabe von zwei Dritteln der Befragten steigen. Außerdem wollen mehr Banken als im Vorjahr beim Kreditvolumen auf die Bremse treten: Jede vierte will Kreditlinien kürzen, 29 % verweigern neue Kreditlinien, möglicherweise auch, um das Volumen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit anzupassen.

Die Prolongation laufender Kredite wird dagegen tendenziell lockerer gehandhabt. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Entzug von Krediten die Kunden in ernste Schwierigkeiten bringen würde, daher schrecken die Institute vor diesem Schritt zurück“, erklärt Grohnert. „Aber nach wie vor gilt, dass die Unternehmen sich für die Prolongationsverhandlungen wirklich gut vorbereiten müssen.“

Weil es insgesamt schwieriger wird, an Kredite zu kommen, halten die Unternehmen allmählich intensiver Ausschau nach Alternativen. Dabei rücken Anleihen und Schuldscheine offenbar auch für mittlere Firmen ins Blickfeld. Denn immerhin gut ein Drittel der Unternehmen (35 %) zieht inzwischen diese Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht. 2009 war es gerade erst ein Viertel. In diesem schwierigeren Umfeld wächst also der Mut zur Innovation. Freilich nur bedingt: Das altbewährte Leasing bleibt der Favorit unter den Alternativen. Und die große Mehrheit der Unternehmen setzt immer noch ganz konservativ auf den Bankkredit. „Der aber könnte sich als Engpass erweisen, wenn es darum geht, den Aufschwung zu finanzieren“, fürchtet Grohnert. „Da bleibt nur zu hoffen, dass es beizeiten gelingt, auf weitere Finanzierungsformen umzuschalten und wieder einen funktionierenden Verbriefungsmarkt zu schaffen.“

Die Studie steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.

(Ernst & Young / ml)