Lohnstrategie: Senioritätslöhne sind heutzutage kontraproduktiv

Erfahrung zahlt sich aus – nach diesem Prinzip gewährt jeder dritte Industriebetrieb bislang seinen älteren Mit­ar­bei­tern höhere Grundgehälter als jüngeren. Von dieser Ent­loh­nung nach dem Senioritätsprinzip müssen die Unter­neh­men aber Abstand nehmen, wenn angesichts des demo­gra­fi­schen Wandels immer mehr in altersgemischten Teams gearbeitet wird, behauptet das Institut der deutschen Wirt­schaft Köln (IW) in einer aktuellen Untersuchung. Die ungleiche Bezahlung nach Alter wirke sich nachteilig aus.

Durch die unterschiedlichen Lähne hätten die Jüngeren keinen Anreiz mehr, ihr aktuelles Fachwissen an ihre besserverdienenden älteren Kollegen weiterzugeben, argumentieren die IW-Experten. Dem könne aber durch einheitliche Grundlöhne mit ergänzenden ziel- und leistungsorientierten Prämien entgegengewirkt werden.

Dann – so glauben die Wissenschaftler – seien Jung und Alt motiviert, ihr Verhalten auf das gemeinsame Teamziel auszurichten und gegenseitig Informationen auszutauschen: Ältere Arbeitnehmer werden von ihren jüngeren Kollegen fachlich auf dem neuesten Stand gehalten, diese wiederum profitieren vom Erfahrungsschatz der Älteren.

Tatsache ist, dass die Arbeitsmarktbedingungen, unter denen einst dieses sogenannte Senioritätsprinzip entstanden ist, heute nicht mehr gelten. Ursprünglich sollten Senioritätslöhne den Mitarbeiter einen motivieren, möglichst lange im Unternehmen zu bleiben und sich so betriebsspezifisches Wissen anzueignen. Dadurch war ein relativ geringer Lohn am Anfang der Karriere gerechtfertigt, der mit der Qualifikation anstieg. Dieses Anreizsystem funktioniert jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Eine wichtige Bedingung: Die Mitarbeiter müssen dem Betrieb über lange Zeit angehören.

Heute ist die Situation aber so, dass die Betriebe aus demografischen Gründen ältere Arbeitnehmer einstellen müssen. Ältere Neueinsteiger bleiben jedoch nur noch wenige Jahre bis zur Rente in der Firma. Aufwendige Einstiegsqualifizierungen lohnen sich für das Unternehmen dann finanziell nicht mehr. Senioritätslöhne sind unter diesen Bedingungen unsinnig, behaupten die IW-Experten.

Mehr noch: Zahlt eine Firma einem älteren Newcomer bei gleicher Ausbildung trotzdem einen höheren Lohn als einem jüngeren, ist Unfrieden vorprogrammiert, vor allem dort, wo – wie in über 55 % der Unternehmen inzwischen üblich – Jung und Alt in einem Team zusammenarbeiten.

In Bedrängnis kommen aber auch jene Firmen mit Senioritätslöhnen, die zwar keine Neueinstellungen vornehmen. Während das Durchschnittsalter ihrer Belegschaft und damit das Lohnniveau steigt, fehlt es an jüngeren Neuzugängen, deren geringere Löhne die steigenden Löhne der Älteren ausgleichen könnten.

Die Arbeitsmarktexperten des IW raten daher den Unternehmen, von Senioritätsregeln Abstand zu nehmen und stattdessen die Grundvergütungen zu vereinheitlichen. Als neuen Anreiz für die Mitarbeiter, sich ins Zeug zu legen, sollten ziel- und leistungsorientierte Vergütungskomponenten in Form von Prämien eingeführt werden. Sie geben Jung und Alt einen Anstoß, ihr Verhalten auf das gemeinsame Ziel auszurichten und gegenseitig Informationen auszutauschen: Ältere Kollegen erhalten aktuelles Fachwissen von den Jüngeren, die wiederum von den Erfahrungen der Profis profitieren.

(IW Köln / ml)