Internet-Domainnamen: EU-Gerichtshof bremst Registrierungstrickser aus

Die Vergabe von Domainnamen mit der Endung .eu, die am 7. Dezember 2005 begann, wurde von der Registrierungsstelle, der European Registry for Internet Domains (EURid) in Brüssel in drei Phasen gestaffelt vorgenommen, wobei in jeder dieser Phasen ein früher eingereichter Registrierungsantrag Vorrang vor einem später eingereichten besaß. Das nutzten einige Domainhändler und Firmen, mit allerlei Tricks unberechtigte Domains zu ergattern.

Die ersten beiden Phasen bildeten eine sogenannte Vorregistrierungsfrist, die sunrise period, in der die Registrierung allein den Inhabern älterer Rechte und öffentlichen Einrichtungen vorbehalten war; dabei waren in der ersten Phase u. a. die Inhaber eingetragener nationaler und Gemeinschaftsmarken antragsberechtigt. Wurde in der sunrise period jedoch ein Domänenname in „spekulativer oder missbräuchlicher Weise und bösgläubig“ erwirkt, kann gemäß der sogenannten Gemeinschaftsregelung die Vergabe  im Wege eines Schiedsverfahrens und gegebenenfalls eines Gerichtsverfahrens nachträglich widerrufen werden. Das bekam jetzt ein österreichisches Unternehmen zu spüren.

Die Internetportal und Marketing GmbH ließ auf der Grundlage der Marke &R&E&I&F&E&N&, die es vorher in Schweden für Sicherheitsgurte hatte eintragen lassen, in der ersten Phase der Vorregistrierungsfrist den Domänennamen aus dieser Marke und der Endung .eu registrieren. Aber: Die Firma hatte nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs nie die Absicht, die Marke &R&E&I&F&E&N& für die Waren, für die sie eingetragen worden war, zu benutzen, sondern plante vielmehr, unter dem auf diese Weise registrierten Domänennamen ein Internetportal für den Reifenhandel zu betreiben.

Der raffinierte Trick: Um den gewünschten Domänennamen www.reifen.eu bereits in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung registrieren lassen zu können, ließ das Unternehmen aus seiner schwedischen Marke &R&E&I&F&E&N& alle Sonderzeichen & entfernen, wofür es sich einer der in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Regeln für die Übertragung von Sonderzeichen bediente. Da nämlich diese Sonderzeichen aus technischen Gründen nicht in einem Domänennamen enthalten sein können, ist nach diesen Regeln u. a. ihre Entfernung aus dem zu registrierenden Namen zulässig. Was aber blieb nach Entfernen der Sonderzeichen auf wunderbare Weise vom Markennamen noch übrig? Richtig: REIFEN. Damit war der generische Domainname www.reifen.eu im Register verankert, bevor andere Unternehmen auch nur die geringste Chance hatten, diesen Namen ihrerseits zu erringen.

Das Verfahren war so simpel und leicht auf andere generische Begriffe übertragbar, dass die Internetportal und Marketing GmbH in Schweden gleich 33 derartige verkappte Gattungsbezeichnungen als Marken eintragen ließ, um damit 180 Anträge auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbezeichnungen entsprechen, einzureichen.

Pech für den Trickser: Im Fall des Domänennamens www.reifen.eu wurde von dem Inhaber der Benelux-Marke Reifen, der u. a. Fensterreinigungsprodukte mit diesem Markennamen herstellt, das Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer der Tschechischen Republik angerufen, das für Schiedsverfahren im Zusammenhang mit der Domäne .eu zuständig ist.

Das tschechische Schiedsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die Internetportal und Marketing GmbH bösgläubig gehandelt habe, entzog ihr den fraglichen Domänennamen und übertrug ihn auf den belgischen Inhaber der Marke Reifen. Der Oberste Gerichtshof von Österreich, der über diesen Rechtsstreit in letzter Instanz zu entscheiden hat, hat nun dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

In seinem gestern ergangenen Urteil stellte der Europäische Gerichtshof zunächst klar, dass die Aufzählung der Kriterien für Bösgläubigkeit in der sogenannten Gemeinschaftsregelung keine endgültige sei und daher Bösgläubigkeit auch durch andere Kriterien nachgewiesen werden könne. Zweitens, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten vorliegt, alle im Einzelfall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen seien. Das gelte vor allem für die Gründe, warum eine Marke eingetragen wurde, die einer Registrierung in der sunrise period zugrunde liegt.

Anhaltspunkte für bösgläubiges Handeln können nach Ansicht der Richter sein:

  1. die Absicht, eine durch Eintrag geschützte Marke nicht auf dem Markt zu benutzen,
  2. eine semantisch und visuell unübliche und sprachlich widersinnige Gestaltung dieser Marke,
  3. die Erwirkung einer großen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen, und
  4. die Erwirkung der Eintragung der Marke kurz vor Beginn der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe – hier mit der Endung .eu.

Schließlich betonte der Gerichtshof, dass die Internetportal und Marketing GmbH ohne den Kunstgriff einer Marke, die nur zu dem Zweck ersonnen und eingetragen wurde, den gewünschten Domänennamen in der ersten Phase registrieren lassen zu können, die allgemeine Registrierung von Namen mit der Domänenendung .eu hätte abwarten müssen – mit dem Risiko, dass ein Mitbewerber schneller gewesen wäre. Das Vorgehen der österreichischen Firma habe jedoch offenkundig darauf abgezielt, das Verfahren der gestaffelten Registrierung zu umgehen.

Der Volltext der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht online zur Verfügung.

(EuGH//ml)

Urteil zum Fall: