Neues Gesetz stutzt Vorstandsgehältern die Flügel

Der Deutsche Bundestag hat gestern das „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“ (VorstAG) verabschiedet. Es soll nach dem Willen seiner Initiatoren unter anderem dafür Sorge tragen, dass bei der Festsetzung der Vergütung von Vorständen künftig verstärkt Anreize für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung gesetzt werden. Auch die Kürzung der Gehälter bei einer Verschlechterung der Lage des Unternehmens soll damit erleichter werden.Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begründet das neue Gesetz vor allem mit Lehren aus der aktuellen Krise: „Einer der begünstigenden Faktoren für die Finanzmarktkrise waren falsche Verhaltensanreize in den Vergütungssystemen.“ Sie kritisiert, dass in vielen Unternehmen in der Vergangenheit zu stark auf das Erreichen kurzfristiger Parameter – wie etwa Umsatzzahlen oder Börsenkurse zu bestimmten Stichtagen – geschaut wurde. Das langfristige Wohlergehen des Unternehmens sei dabei oft aus dem Blick verloren worden, und fehlerhafte Verhaltensanreize hätten zum Eingehen unverantwortlicher Risiken verleitet.

Das VorstAG enthält nach Aussagen der Ministerin klarere Vorgaben an den Aufsichtsrat zur Festsetzung der Vorstandsvergütung. So haben variable Vergütungsbestandteile in Zukunft eine mehrjährige Bemessungsgrundlage um langfristige Verhaltensanreize zu bieten. Außerdem gelten für Aktienoptionsprogramme demnächst längere Ausübungsfristen.

Die Regelungen im Einzelnen:

(Wortlaut gemäß Pressemitteilung)
  • Die Vergütung des Vorstands einer Aktiengesellschaft muss künftig auch in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen des Vorstands stehen und darf die (branchen- oder landes-) übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.
  • Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben; für außerordentliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren.
  • Aktienoptionen können künftig frühestens vier Jahre nach Einräumung der Option ausgeübt werden. Damit wird dem begünstigten Manager ein stärkerer Anreiz zu nachhaltigem Handeln zum Wohl des Unternehmens gegeben.
  • Die Möglichkeit des Aufsichtsrats, die Vergütung bei einer Verschlechterung der Lage des Unternehmens nachträglich zu reduzieren, wird erweitert. Es bedarf hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, weil in bestehende Verträge eingegriffen wird. Eine solche Verschlechterung liegt zum Beispiel vor, wenn die Gesellschaft Entlassungen vornehmen muss und keine Gewinne mehr ausschütten kann und die Weiterzahlung der Vergütung für die Gesellschaft „unbillig“ wäre. Eine Insolvenz ist dafür nicht erforderlich. Die Herabsetzung von Ruhegehältern ist auf die ersten drei Jahre nach dem Ausscheiden des betroffenen Vorstandsmitglieds aus der Gesellschaft befristet.
  • Die Entscheidung über die Vergütung eines Vorstandsmitglieds darf künftig – anders als bislang – nicht mehr an einen Ausschuss des Aufsichtsrates delegiert werden, sondern muss vom Plenum des Aufsichtsrates getroffen werden. Damit wird die Festsetzung der Vergütung transparenter.
  • Die Haftung des Aufsichtsrates wird verschärft. Setzt der Aufsichtsrat eine unangemessene Vergütung fest, macht er sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Damit wird klargestellt, dass die angemessene Vergütungsfestsetzung zu den wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats gehört und er für Pflichtverstöße persönlich haftet.
  • Die Unternehmen werden künftig zu einer weitergehenden Offenlegung von Vergütungen und Versorgungsleistungen an Vorstandsmitglieder im Falle der vorzeitigen oder regulären Beendigung der Vorstandstätigkeit verpflichtet. Damit erhalten die Anteilsinhaber einen besseren Einblick in den Umfang der mit dem Führungspersonal getroffenen Vereinbarungen.
  • Bei Abschluss der in der Praxis häufig anzutreffenden sogenannten „Directors and Officers Liability-Versicherungen“ (kurz: D&O-Versicherungen) ist zwingend ein Selbstbehalt zu vereinbaren, der nicht niedriger als das Eineinhalbfache der jährlichen Festvergütung sein darf. Hierdurch soll eine Verhaltenssteuerung für mehr Nachhaltigkeit erreicht werden.
  • Bei börsennotierten Gesellschaften kann die Hauptversammlung künftig ein unverbindliches Votum zum System der Vorstandsvergütung abgeben. Dadurch wird den Aktionären ein Instrument zur Kontrolle des bestehenden Vergütungssystems an die Hand gegeben, sie können ihre Billigung oder Missbilligung aussprechen. Dies wird die Verantwortlichen dazu anhalten, bei der Festlegung der Vorstandsvergütung besonders gewissenhaft zu handeln.
  • Schließlich dürfen ehemalige Vorstandsmitglieder während einer zweijährigen Karenzzeit nach ihrem Ausscheiden nicht Mitglieder des Aufsichtsrats werden – damit sollen Interessenkonflikte vermieden werden. Die Karenzzeitregelung gilt nicht, wenn die Wahl in den Aufsichtsrat auf Vorschlag von Aktionären erfolgt, die mehr als 25 % der Stimmrechte an der Gesellschaft halten. Mit dieser ausgewogenen Ausnahmeregelung wird insbesondere den Interessen von Familiengesellschaften Rechnung getragen.

Bundesjustizministerin Zypries versicherte am Mittwoch in Berlin jedoch, es gehe nicht um die Festsetzung einer konkreten Vergütungshöhe. Das sei nicht Sache des Staates, sondern der Vertragsparteien. Dennoch gibt es nach wie vor zahlreiche Kritiker, die einen staatlichen Eingriff in die Findung von Managergehältern generell ablehnen und damit auch den vorliegenden Gesetzentwurf für kontraproduktiv halten.

Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Es ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. Weitere Details finden sich auf der Website des Bundesjustizministeriums. (BMJ/ml)