Oskar und sein Verfassungsverständnis

Wer es sich nicht ohnehin schon denken konnte, kann sich jetzt selbst überzeugen, wie der Vorsitzende der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine, die deutsche Verfassung interpretiert. Auf dem „Capital-Autogipfel“ in Berlin durfte Lafontaine im Gespräch mit Capital-Chefredakteur Dr. Klaus Schweinsberg vor erlauchtem Publikum seine populistische Melange aus Stammtischparolen und sparsam eingestreuten Kritiken an tatsächlichen Misständen ausbreiten. Für deutsche Mittelständler wurde es aber erst nach einer halben Stunde so richtig interessant.

Dann nämlich formulierte Lafontaine gewohnt offen und ehrlich seine Interpretation der Verfassung: Die großen Vermögen vieler Familienunternehmen seien „grundgesetzwidrig“, stellte Lafontaine ohne mit der Wimper zu zucken fest.

Konkret nannte er die Schaeffler-Gruppe und forderte die Enteignung der Eigentümer Maria-Elisabeth Schaeffler und ihres Sohnes Georg. Lafontaine ist sich sicher, „kein Mensch“ könne „in seinem Leben zehn Milliarden Euro auf verfassungsgemäße Weise anhäufen“. Seine – für Stammtische – brillant gestrickte Argumentationskette: Der Reichtum der Schaefflers sei „das Ergebnis einer fortdauernden Enteignung der Belegschaft und deren großen Beitrag zur Produktivität und Wertschöpfung“, so Lafontaine. Wenn aber die Anhäufung des Vermögens eine Enteignung war, dann ist die Enteignung der enteigneten Werte keine Enteignung, sondern das genaue Gegenteil: die Rückabwicklung einer Enteignung, mithin verfassungskonform, wenn nicht sogar Verfassungspflicht. Marx hätte seine helle Freude an seinem Schüler und dessen dialektischer Rhetorik.

Wer es nicht glaubt, kann ein Video des gesamten Gesprächs auf der Website des Wirtschaftsmagazins Capital abrufen. Konkret beginnt der Abschnitt über die „Rückübereignung verfassungswidriger Vermögen“ in der 37. Minute des knapp einstündigen Interviews. Ein Ausschnitt der entsprechenden Passage ist hier zu finden.

(ml)

Anmerkung der Redaktion: Unsere Meldung ist in der Tat nur bedingt sachlich formuliert. Man möge uns dies aber angesichts des unverblümten Angriffs Oskar Lafontaines auf Familienunternehmen keine 20 Jahre nach dem Bankrott der DDR ausnahmsweise nachsehen. (ml)