Die Nettoreallohn-Ente

Die Aufregung am Montag war groß und viele Medien fielen in den ersten Stunden kritiklos auf einen falschen Statistikvergleich der Bild-Zeitung herein. Das Boulevardblatt hatte verkündet, die Nettoreallöhne (preisbereinigte Löhne abzüglich Steuern und Sozialabgaben) der deutschen Arbeitnehmer seien immer noch oder wieder so niedrig wie vor 20 Jahren. Das sei das Ergebnis „neuer Zahlen des Bundesarbeitsministeriums“ – pures Wildwasser auf die Mühlen der Befürworter von Mindestlöhnen.

Was ein sozialer Skandal sein sollte und alle Klischees vom schrumpfenden Geldbeutel zu bestätigen schien (Zitat Tagesschau: „Wir haben es immer schon gespürt“) entpuppte sich aber in den späten Stunden des Montags als Ente. Die Bild-Zeitungsredakteure hatten Birnen mit Äpfeln verglichen, nämlich die Daten von 1986 (Nettorealverdienst: 1315,40 Euro) mit denen von 2006 (Nettorealverdienst: 1320,42 Euro). 1986 aber hatten die Statistiker nur die Daten Westdeutschlands erhoben, während in die Statistik für 2006 die Daten Gesamtdeutschlands eingegangen waren. Die geringeren Löhne im Osten aber drücken in den gesamtdeutschen Statistiken seit 1991 natürlich den Durchschnittswert.

Tatsache ist, dass bei einem Vergleich der Zahlen seit 1991 eine vor allem im Osten kräftige Steigerung der Nettorealverdienste erkennbar ist, die bei Familien mit Kindern 100% und mehr betragen kann. Weniger gut kamen Singles weg. Am schlechtesten schneiden in diesem Vergleich mit einem Plus von weniger als 1% westdeutsche alleinstehende Arbeiter ab.

Nicht nur Experten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung versichern allerdings, dass für die letzten Jahre tatsächlich ein Nettoreallohnrückgang stattgefunden habe. Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt schon seit einiger Zeit vor Lohneinbußen in Deutschland. Zumindest ein Anstoß zum Nachdenken bleibt also von der Ente übrig. (ml)